Die Geschichte der Stampfanger Kapelle

Wo der Hexenritt ein sagenhaftes Kirchlein trifft

Am Ende des Hexenritts erwartet Euch eine wirklich sagenhaftes Bauwerk… Die Stampfanger Kapelle. Auf der Spitze eines großen Felsen thront sie wie von Hexenhand gebaut. Genau dort hat sich vor einigen hundert Jahren beinahe eine Tragödie ereignet, die nur mit Hilfe des Himmels noch ein gutes Ende nahm.

Damals lebte tief hinten beim Stampfangerbach ein Müller mit seiner Familie in der Salvenau am Fuße des Salvenbergs. Von weit ringsum brachten ihm die Bauern ihr Getreide zum Mahlen, denn der Bach sprang das ganze Jahr munter auf sein Mühlrad und trieb es kräftig an. Der Müller Christian Pellhammer war aber nicht nur durch die Natur reich gesegnet, er war auch das Oberhaupt einer Familie, in der, wie man meinen konnte, immer die Sonne schien. Seine stets fröhliche Frau hatte ihm bislang fünf gesunde Kinder geschenkt, von denen Simerl, der Älteste, schon tatkräftig als Müllergesell mitarbeite. Die jüngere Susann half der Mutter im Haushalt und bei der Obhut der kleinsten Geschwister, dem achtjährigen Peter und den fünfjährigen Zwillingen Anni und Seppei.

Maria, die Mutter der Kinder, verbrachte den ganzen Sommer meist draußen in der Natur, streifte mit den jüngeren Kindern durch die Wälder und Bergwiesen auf der Suche nach Beeren, Pilzen und Kräutern oder arbeitete in ihrem Garten. Man konnte die Pellhammers wohl als eine glückliche Familie bezeichnen, über die der Himmel seine schützende Hand hielt. Doch manchmal bricht auch über die Unschuldigsten plötzlich großes Unheil herein.

Eines schwülen Tages im August beschloss Maria, mit Peterl zusammen Pilze zu sammeln. Es hatte die Woche davor geregnet und war nun wieder heiß geworden, das trieb die Schwammerl aus dem moosigen Waldboden. Peter freute sich, seine Mutter einmal einen ganzen Tag für sich allein zu haben. Während die Kleinen in der Obhut von Susann blieben, stiegen die Müllerin und ihr Sohn von der Salvenau hinauf zur Silleralm, wo Maria gute Schwammerlplätze kannte. Und ganz recht, zwischen den moosigen Flechten leuchteten die gelben Pilzhüte hervor und füllten bald die mitgebrachten Körbe. Zu Mittag machten die beiden Schwammerlsucher auf der Silleralm Rast, wo die Sennerin sie zu einem Becher frischer Milch einlud. Gerade als Maria von schläfriger Mattigkeit erfasst wurde, erhaschte ihr Blick vom Wilden Kaiser her eine große graue Front am Himmel.

„Na, da kimmt a Wetter direkt auf ins zua!“ entfuhr es ihr. Ruckartig sprang sie hoch und packte den kleinen Peter unsanft am Arm. „Schnell auf, wir müassn schaun, dass ma no rechtzeitig hoam kemmand!“ Schnell, ab nach Hause! Mit einem kurzen „Pfiat di Greti!“ zur Sennerin hinübergerufen, hasteten die Müllerin und ihr Bub den steilen Wiesenhang hinunter zum Bachlauf. Doch das Unwetter raste bereits auf sie zu. Kaum hatten sie die Talsohle erreicht, ergoss sich das Gewitter aus den schweren Wolken, über ihnen zuckten Blitze und heftiger Donner grollte. Maria und Peterl stolperten entlang des Stampfangerbaches, dessen sonst so klares Wasser nun bereits aufschäumte und bedrohlich schnell anstieg.

„Glei sind ma dahaom Bua, grad no a Stückerl bis zum Steg“, sprach Maria dem Peterl und sich selbst Mut zu. Bald würden sie die schmale Holzbrücke erreichen, die vom Salvenberg hinüber zur Mühle in der Salvenau führte, dann wären sie in Sicherheit. Doch als Mutter und Kind endlich an die Stelle gelangten, wo bislang die Brücke gestanden hatte, sahen sie nur noch deren Pfosten, den Rest hatte der wilde Fluss mit sich gerissen.

 

Das Unheil nimmt seinen Lauf

„Wia kemmand mia jetzt ans andere Ufer?“ rief Maria entsetzt und ließ vor Schreck den Korb mit den Pilzen fallen. Peter hatte sich von ihrer Hand losgerissen und rannte vor, um zu schauen, wo sie vielleicht noch über Steine zu Fuß übersetzen konnten, doch er hatte sich zu weit hinausgewagt, rutschte aus und fiel ins Waser, das ihn sofort aufsaugte und weiterschleuderte.

„Naa, Peterl!“ gellte der Schrei der Mutter, die ohne nachzudenken ihrem Sohn sofort nachsprang und versuchte, ihn zu erreichen. Doch der Stampfangerbach war zu einer gurgelnden Sturzflut angewachsen und wirbelte Maria herum. Verzweifelt hielt sie nach Peter Ausschau. Mit letzter Kraft klammerte sie sich an ein vorbeischwimmendes Stück Holz und schrie aus tiefster Seelennot:

„Heilige Mutter Gottes Jungfrau Maria, hilf! Rette mei’m Peterl das Leben!“

Da löste sich vor ihr in der Talenge mit lautem Krachen ein großer Felsblock vom Bromberg herab und versperrte dem tobenden Wasser wie ein Korken den Weg. Der Stampfangerbach prallte jetzt in voller Fahrt auf den Felsen und schwappte hoch über seine Ufer. Dabei wurden Maria und ein Stück weiter vorn auch ihr kleiner Sohn ans sichere Land gespült.

Die Müllerin stürzte sich sofort auf ihr Kind, das wie tot dalag. Peter hatte bei der Höllenfahrt die Besinnung verloren, doch als Maria ihn weinend schüttelte, schoss ein Wasserstrahl aus seinem Mund und er fuhr hustend hoch. Die Mutter, selbst vor Kälte und Erschöpfung schlotternd, schloss ihn ganz fest in ihre Arme und bedeckte sein feuchtes Gesichtchen mit Küssen. Dann wandte sie ihr Gesicht nach oben dem strömenden Regen zu. „Dank dir allmächtige Himmelskönigin für unsere Errettung vor dem Tode“, betete sie inbrünstig und bekreuzigte sich demütig vor der Brust.

Dann raffte sich Maria auf die noch zittrigen Füße, nahm den geschwächten Peter huckepack und kämpfte sich den Weg zurück zur Salvenau. Als sie in Sichtweite der Mühle gelangten, stürzten ihnen Christian und Simerl schon entgegen, die in banger Sorge um sie am Fenster der Stube Ausschau gehalten hatten. „Mei liabs Weib und Peterl, da seid’s ihr ja endlich“, konnte der Müller nur stammelnd hervorbringen, da fiel ihm Maria mit dem Kind auf dem Rücken ohnmächtig in die Arme.

In der Nacht legte sich der Sturm, die reißende Stampfangerflut wurde wieder zu einem plätschernden Bach und die Sonne ging freundlich strahlend im blauen Himmel über dem Söllandl auf.

In der Mühle erholten sich Maria und Peterl im Kreise ihrer Lieben von den Strapazen des vergangenen Tages. Müller Christian dankte dem Herrgott von Herzen, dass er seine Frau und Sohn bei dem Unwetter verschont hatte und gab ihm ein Versprechen.

„Genau hier auf dem Felsen droben lass ich der Heiligen Mutter Maria, der Schutzpatronin von mei’m Weib, zu Ehren a Kapellei bauen.“

„Unserer lieben Frau zum Stein“

So geschah es und es dauerte nicht lang, da wurde die schöne, gemauerte Kapelle „Unserer lieben Frau zum Stein“ ein richtiger Wallfahrtsort, zu dem die Menschen aus dem ganzen Söllandl pilgern. Das Gnadenbild der königlich thronenden Madonna mit Jesuskind auf dem Arm wird von den Gläubigen weiterhin bei drohenden Hochwassergefahren angerufen. Aber auch ohne ein besonderes Anliegen versetzt das kleine Kirchlein auf dem Felsen jeden Besucher in Andacht und Staunen.

Die Müllerfamilie Pellhammer lebte noch lange gesund und glücklich am Stampfangerbach.

Vernehmt liebe Leut‘ die Moral von der Geschicht:

„Wunder geschehen, vergesst das nicht!“

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